Unreflektiert, verlogen oder dumm? Eine Glosse zur „Offenen Stellungnahme zum Vorgehen der Bundesbildungsministerin angesichts des offenen Briefes Berliner Hochschullehrer:innen“

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Vor kurzem haben einige Akteure aus der Academia eine „Offene Stellungnahme zum Vorgehen der Bundesbildungsministerin angesichts des offenen Briefes Berliner Hochschullehrer:innen“ veröffentlicht.

https://docs.google.com/forms/d/1NbIQ2jmvuTih8wT9khMsOcsvOZtd7uwgwq4l6x5D_9I/viewform?edit_requested=true

Zu den Unterzeichnern (und mutmaßlich auch Initiatoren) gehören Erhard Schüttpelz und Robin Celikates. Auf sie und ganz bestimmt viele andere Unterzeichner der Stellungnahme trifft folgendes zu: Sie berufen sich auf das grundgesetzlich verankerte Recht auf Wissenschaftsfreiheit, das sie aber nicht nur nicht verteidigen, wenn es um Wissenschaftler geht, die sie für irgendwie rechts halten (oder für rassistisch, islamophob, transphob, you name it), sondern das sie mit Füßen treten, wenn es ihnen in den politischen Kram passt. Schüttpelz war an vorderster Front, als er mein Recht darauf, Sarrazin, Jongen, Flaig und Bolz zu Vorträgen einzuladen, beschnitten sehen wollte (etwa durch seine Aufforderung an den Rektor, die Veranstaltung zu verbieten); Celikates gehörte zu den Unterzeichnern eines Offenen Briefes gegen Kathleen Stock, die es gewagt hatte, an der biologischen Tatsache festzuhalten, es gebe zwei Geschlechter, und biologisch gesehen sei ein Transmann eine Frau und eine Transfrau ein Mann, und die daraufhin allerschlimmsten Anfeindungen ausgesetzt war (ihren Job hat als Professorin hat sie sie bekanntlich hingeschmissen).

Wie kann man sich das Verhalten von Schüttpelz, Celikates & Co. erklären? Nun, eine Option besteht darin, dass diese Akteure einfach inkonsistent handeln, ohne es zu merken; es mangelt einfach an Reflexion. Denn zweifellos ist es inkonsistent, die Wissenschaftsfreiheit von denjenigen, sagen wir: rechten Wissenschaftlern einschränken zu wollen (oder sie jedenfalls nicht zu verteidigen), für die das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit sich u. a. engagiert, und die von linken zu verteidigen. Eine solche Inkonsistenz läge aber so offen zutage, dass man sie als unreflektiert kaum unterstellen mag, auch wenn es (wie ich aus einigen Gesprächen weiß) bei manchen durchaus vorkommen mag.

Eine weitere Deutung ist schon plausibler – diese Akteure sind schlichtweg verlogen. Ihnen geht es gar nicht um die Wissenschaftsfreiheit als ein Grundrecht und erst recht nicht um dieses Grundrecht als eines, das allen zukommt. Ihnen geht es allein um den Erhalt und den Ausbau linker Hegemonie und Orthodoxie an den Universitäten. Sie scheren sich einen Dreck um Art. 5.3 GG, sondern nutzen ihn nur als Instrument der Macht und Trumpf, den sie dann aus dem Ärmel ziehen, wenn sie sich und ihresgleichen verteidigen wollen, und sei es bis hin zur Verteidigung übelsten Antisemitismus. Ob diese Deutung zutrifft, weiß ich nicht; sie wird wohl bei einigen zutreffen, und selbst wenn sie falsch sein sollte, änderte das nichts daran, dass es hier um Machterhalt geht. Die Linke hat ihren Gramsci gelesen.

Die dritte Lesart schließlich besteht darin, dass Schüttpelz, Celikates & Co. überhaupt keine Inkonsistenz in ihrem Handeln sehen, auch wenn man sie darauf aufmerksam macht. Sie sehen wirklich die Wissenschaftsfreiheit verletzt, wenn Stark-Watzinger daran denkt, Fördermittel zu kürzen, aber sie sehen sie wirklich nicht verletzt, wenn ein Vortrag von Marie-Luise Vollbrecht zur menschlichen Zweigeschlechtlichkeit gecancelt wird; und zwar sehen sie hier keine Verletzung, weil Wissenschaftsfreiheit Grenzen habe, die von rechten Akteuren etwa durch Transphobie verletzt werde. Nun ist zwar wahr, dass Wissenschaftsfreiheit juridische, ethische und wissenschaftsmethodische Grenzen hat (ich will das hier nicht erneut ausführen, sie aber etwa hier: https://www.youtube.com/watch?v=S1m9Gwd3JCM). Aber es kommt darauf an, richtig zu definieren und richtig zu subsumieren, und wer etwa schon die These, es gebe biologisch gesehen nur zwei Geschlechter, für transphob hält, der definiert weder richtig noch besitzt er die Urteilskraft zur angemessenen Subsumtion. Und ein solcher Mangel an Urteilskraft ist mit Kant das, was man gemeinhin Dummheit nennt.

Das also sind die Alternativen: Unreflektiertheit, Verlogenheit, Dummheit, oder eine Kombination aus all dem. Keine guten Aussichten für die deutsche Universität. Die Stellungnahme gegen Stark-Watzinger habe ich übrigens unterschrieben.

 

von

Prof. Dr. Dieter Schönecker (Praktische Philosophie an der Universität Siegen und Gründungsmitglied des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit)