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18.12.2024



Netzwerk Wissenschaftsfreiheit sieht
Wissenschaftsfreiheit durch die ideologische Selbstverpflichtung des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv) gefährdet


Der Deutsche Bibliotheksverband, dem sehr viele Universitätsbibliotheken angehören, hat am 13.11.2024 ein Manifest "Verbands- und gesellschaftspolitisches Selbstverständnis des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. (dbv)" [1] verabschiedet.

Gleichzeitig hat der Verband seine Satzung so geändert, dass eine Bibliothek nur noch Mitglied sein kann, wenn sie sich auf mehrere Grundwerte verpflichtet. Die Liste der Grundwerte enthält neben Trivialitäten wie einem ungehinderten Zugang zu einem breiten Angebot an Informationen und einem Bekenntnis zur FDGO den bemerkenswerten Grundwert, "Vielfalt und Integration zu fördern und wertzuschätzen sowie sich aktiv gegen Diskriminierung einzusetzen". Der aktive Einsatz gegen Diskriminierung ist nun eine besonders betonte Bedingung für die Mitgliedschaft.

Dazu passend erklärt man sich im Manifest "solidarisch mit anderen Institutionen, zivilgesellschaftlichen Verbänden und Akteuren, die sich für eine offene und vielfältige Gesellschaft, Demokratie, für die Würde aller Menschen und damit für Pluralismus und Diversität einsetzen." Das Manifest behauptet ferner, der Verband sei parteipolitisch neutral. Die oben erwähnten Selbstverpflichtungen bzw. Bedingungen für die Mitgliedschaft erwecken den gegenteiligen Eindruck, die ideologische Schlagseite ist kaum übersehbar.


Grundwerte vs. politische Handlungsfelder

Zunächst einmal liegt bei der Verpflichtung zum aktiven Einsatz gegen Diskriminierung ein Kategorienfehler vor: (Grund-) Werte, z.B. Freiheit oder Gleichberechtigung, sind als erstrebenswert oder moralisch gut betrachtete Zustände oder Konzepte. Etwas fördern oder sich für etwas aktiv einsetzen ist eine Tätigkeit, kein Zustand. Ähnliches gilt für den Begriff Integration.

Selbst wenn man die Themen dieser Tätigkeiten, also Vielfalt, Integriertheit und Diskriminierungsfreiheit, als anzustrebende Zustände und damit sehr spezielle Grundwerte ansieht, fragt man sich, warum nicht auch politische Bildung, innere und äußere Sicherheit, Gleichberechtigung, Vollbeschäftigung und Dutzende weitere Grundwerte, die sich in den Programmen der Parteien finden, erwähnt werden. Die Priorisierung solcher Grundwerte ist der Kern politischer Auseinandersetzungen. In den Medien gilt die Betonung einzelner, spezieller Grundwerte, die zum Markenkern einzelner Parteien gehören, als agenda setting, also als Unterstützung einer speziellen Weltanschauung und als politische Parteinahme. Die Selbstverpflichtung des dbv kann kaum anders interpretiert werden. In der deutschen Parteienlandschaft liegt hier eindeutig eine Unterstützung von B90/Grünen und ihnen nahestehenden politischen Akteuren vor.

Ferner ist es alles andere als klar, dass "Vielfalt" ein Grundwert ist, der gleichermaßen allgemein akzeptiert ist wie die anderen oben genannten. "Vielfalt" (oder synonym dazu Heterogenität, Buntheit, Diversität oder Multikulturalismus) ist hochgradig unscharf: offen bleibt, welche Kollektive oder Phänomene heterogen sein sollen und in welchen Merkmalen sich die Individuen unterscheiden sollen. Vielfalt wird regelmäßig als Multikulturalismus verstanden, der auf das Gegenteil von Integration hinausläuft und oft zu einem Verlust an sozialem Vertrauen führt [2]. Politikziele wie "Buntheit" oder "Vielfalt" führen sehr leicht zu autoritären Gesellschaften und zu Angriffen auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit [3, 4]. Die Sakralisierung von Vielfalt ignoriert diese Kollateralschäden völlig. Vielfalt als unhinterfragbaren Grundwert zu positionieren bedeutet implizit, eine homogene Gesellschaft moralisch abzuwerten, auch dieses moralische Urteil ist eine politische Parteinahme.

Die beiden dbv-Grundwerte Diversität und Inklusion erinnern zudem fatal an die ideologischen Bekenntnisse, die an vielen Universitäten von Bewerbern in Form von Diversity, Equality and Inclusion (DEI) Statements verlangt werden bzw. die an diesen Unis durch entsprechende DEI-Programme durchgesetzt werden.


Willkürlichkeit des Begriffs Diskriminierung

Bei der Verpflichtung zum aktiven Einsatz gegen Diskriminierung fällt die hohe Unschärfe und die Willkürlichkeit des Begriffs Diskriminierung auf. Man kann nahezu beliebig viele soziale Tatbestände als Diskriminierung interpretieren, wobei der Tatbestand der Diskriminierung fast immer auf subjektiven Wertungen beruht. Diese Selbstverpflichtung ist ferner aufgrund der heillosen Selbstüberschätzung unrealistisch bzw. unglaubwürdig. Sie ermöglicht es aber ohne weiteres,

Zusammen mit der oben dargestellten ideologischen Positionierung entsteht der Eindruck, ideologische Säuberungen im Verband bzw. dessen Bibliotheken ermöglichen zu wollen. Dieser Eindruck wird nicht durch die pauschalen, floskelhaften Behauptungen, ideologisch neutral zu sein, behoben.

Der dbv sollte umgehend klarstellen, inwieweit er seine letzte Satzungsänderung für eine ideologische Säuberung seiner Mitglieder zu nutzen gedenkt und inwieweit man Druck auf die Mitglieder ausüben wird, ihren Bibliotheksbetrieb auf ideologische Ziele zu verpflichten.


[1] Verbands- und gesellschaftspolitisches Selbstverständnis des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. (dbv). Deutscher Bibliotheksverband e.V. 19.11.2024 https://www.bibliotheksverband.de/sites/default/files/2024-11/20241113_Verbands-%20und%20gesellschaftspolitisches%20Selbstverst%C3%A4ndnis%20des%20dbv_final%2C%20verabschiedet%20von%20der%20dbv-MV%20am%2013.11.2024.pdf

[2] Peter Thisted Dinesen, Kim Mannemar Sønderskov, Merlin Schaeffer: Ethnic Diversity and Social Trust: A Narrative and Meta-Analytical Review. Researchgate, DOI 10.13140/RG.2.2.20314.70081, 19.09.2019

[3] Bradley Campbell, Jason Manning: The Rise of Victimhood Culture: Microaggressions, Safe Spaces, and the New Culture Wars. Palgrave Macmillan, 15.02.2018. https://www.palgrave.com/gp/book/9783319703282

[4] Lawrence Krauss: How `Diversity' Turned Tyrannical. Wall Street Journal, 20.10.2021. https://www.wsj.com/articles/diversity-tyrannical-equity-inclusion-college-marginalized-race-11634739677